Wege zur Kunst - Eine (fast) literarische Biographie

Mein Weg zur Literatur ist ganz und gar nicht stringent. Häufig lese ich von Menschen, die schon als Kind geschrieben haben, als Jugendliche wussten, dass sie Bücher schreiben wollten und als junge Erwachsene schon ein ansehnliches Portfolio vorzuweisen hatten. Meine Reise zur Literatur ist dagegen eher ein holpriger Weg über Zufälliges, Punktuelles, angetrieben durch Neugierde und dem Drang, dabei allerlei verschiedene, kreative Ausdrucksweisen kennenzulernen. Aber davon später mehr.

Aller Anfang …

Meine erste Berührung mit der Literatur ist ziemlich konstruiert: Meine früheste Kindheitserinnerung hat nämlich eine gewisse Ähnlichkeit mit der Einleitung von Die gerettete Zunge des großen Elias Canetti. Dort heißt es: „Meine früheste Erinnerung ist in Rot getaucht.“ Und so ist es bei mir auch: Ich stehe vor der Abfahrt einer Tiefgarage, neben mir ein Tretroller und ich frage mich, wie ich diese Abfahrt meistern kann, die steil hinabführt und am Fuß von einem großen Blechtor versperrt wird.
An diesem Tag begehe ich meine erste intellektuelle Fehlleistung: Obwohl ich mich sogar an die Antizipation erinnere, dass meine Bremsen bei der zu erwartenden Endgeschwindigkeit nicht greifen werden, entwickle ich die fatale Problemlösungsstrategie, kurz vor dem Tor eine 180 Grad Kurve fahren zu wollen.
Ich bezahle mit einer ungebremsten Detonation in Blech – eine poetische Umschreibung für ein spektakuläres Gescheppere – werde dafür aber mit einer wunderbaren, sich schlängelnden Narbe unter dem Kinn á la Indiana Jones belohnt, aus der es blutet und blutet – ein Umstand, der erst dann von mir mit schrillem Geheule quittiert wird, als ich Minuten später das in Rot getränkte T-Shirt wahrnehme. Retrospektiv ist das aber nur ein kleines Opfer dafür, mich in der Aura eines echten Literatur-Nobelpreisträgers zu sonnen, bei gleichzeitigem Aussehen eines verwegenen Abenteurers!

Beeindruckende Ahnenreihe, die ich in mir vereine und mir schon in früher Jugend alle Tore geöffnet hätte. Doch ich wollte mehr…

Wanderjahre …

In der Folgezeit, also quasi ab der Einschulung, war der kreative Teil meines Lebens eine lose Suche – ein echtes „mal hier, mal da“. Ich erinnere mich an die vierte Klasse, in der ich eine ordentliche Schwärmerei für meine Klassenlehrerin entwickelte. Während mich die Schulstunden furchtbar langweilten und ich mir regelmäßig entsprechenden Ärger für mein flegelhaftes Benehmen einhandelte, brachte sie mich auf die Bühne und ließ mich als Hauptmann in „Die Räuber von Toulouse“ debütieren, und in der gleichen Aufführung in Schiesser-Unterhosen und Turban auf dem Kopf als indischer Schlangenbeschwörer (ausgestattet nur mit einer Holzflöte, an der mit einem Nylonfaden eine Stoffschlange befestigt war) auftreten. An dem Tag war mein Traum geboren, Schauspieler zu werden, der erst viele Jahre später abgelöst werden sollte, die Bühne als Musiker zu erobern.

Die erste Berührung mit dem Schreiben hatte ich dann in meiner Jugend, als ich mich selbst zum Herausgeber einer Vereinszeitung emporschwang. Sehr viel Spaß und eine Ausgabe später, konnte ich die Leser jedoch nicht von meinem unfassbar subtilen Humor überzeugen und stellte die Produktion standesgemäß divenhaft und leicht beleidigt wieder ein. Gleichzeitig heuerte ich an, Botengänge, die mir als typische Redakteursarbeiten in einem Musikmagazin verkauft wurden, neben meiner Schulzeit zu tätigen, die mir zumindest diesen feinen Titel in meiner Vita bescherten!

Meine Zeit als Herausgeber. Dem Ausdruck nach zu urteilen, habe ich gerade einen Redakteur gefeuert…

Das Leben ist schön …

… und voller Musik! Es war seit jeher Liebe zur Musik, die eine bedeutende Rolle in meinem Leben gespielt hat. Während ich als Kind wöchentlich bei Wind und Wetter zur Bibliothek radelte, um die Drei Fragezeichen, Fünf Freunde, Michael Ende, Was ist Was etc. zu verschlingen, begann die Evolution meiner Hörgewohnheiten sogar noch früher. Ich erinnere mich an das Tonbandgerät meines Vaters, das herrlich spannend und aufregend war, denn das Einfädeln der Bänder hatte immer etwas futuristisches für mich, etwas, das auch mit meiner Vorliebe für die Raumschiff Enterprise Folgen zu tun hatte. Und so hörte ich schon als Kind eben alles, was ich auf den Bändern fand: Angie von den Stones, Hotel California, Abba oder Boney M. (die ich dann mit meinen Cousinen heimlich im Keller choreographierte). Dazu kamen Rock, Jazz, Klassik – in der Reihenfolge. Und schon bald besorgte ich mir meine erste Gitarre nebst Lehrer, der mich mit „Teuchert`s Gitarrenschule“ regelrecht in die Arme des Heavy Metals hinein folterte, bis er mich mit den Worten „Du bist der untalentierteste Schüler, dem ich je begegnet bin“ anflehte, ihn wieder zu verlassen.

Sehr gerne! Die Wiedergutmachung kam erst ein Jahrzehnt später mit dem Beginn meines  Musikstudiums – eine der intensivsten Zeiten meines Lebens …

Die Bühne ist eine der besten Orte, wo man viel Spaß haben kann.

… und die Literatur? Wurde langsam am Horizont sichtbar. Ein erster satirischer Artikel in der taz, ein weiterer Artikel hier und da, und plötzlich schrieb ich als Rezensent einige Jahre lang Kulturkritiken, was mein Leben als Student mitfinanzierte. Parallel wechselte ich die Seiten, um klassische CDs zu produzieren und gründete ein feines Label für klassische Musik. Eine große Herausforderung an Gehör, Geduld und Geschick, bis … nun, bis ich nach zehn Jahren des Musikerdaseins das unbedingte Gefühl bekam, weiterziehen zu müssen.

Also packte ich meine sieben Sachen, zog für einige Zeit durch Asien, nicht, ohne mich vorher noch von Rainer Wekwerth in der Architektur und dem Bau von guten Geschichten unterweisen zu lassen. Und mit einem Mal, inmitten der abendlichen Idylle in einer der zahl- und namenlosen Buchten Süd-Ost-Asiens, tauchte Baptiste wie aus dem Nichts auf. Und mit ihm seine Geschichte, die mich nicht mehr losließ und im PALAST AUS STAUB UND SAND erzählt werden musste.

Das Ergebnis dieses Erlebnisses und der darauffolgenden zwei Jahre Arbeit, haltet Ihr hoffentlich bald in Händen.

Und heute? Heute schreibe ich an meinem zweiten Roman, der – wenn nichts dazwischen kommt – 2017 fertiggestellt wird … ich bin gespannt …